Unsere Job-Kolumnistin und Works-Gründerin Sandra Böckeler macht sich Gedanken über das eigene Wertesystem.
Neulich, der Kinderarzt – schreibt mir, wenn er in den nächsten vier Wochen keine neue MFA findet, muss er die Sprechzeiten reduzieren. Die Eisdiele an der Ecke hat schon im August zugemacht – zu wenig Leute. Meine Brille wird eine Woche später fertig, der Optikermeister ist nur noch in Teilzeit. Unternehmen beklagen den Fachkräftemangel, ringen um qualifizierte Mitarbeitende. Und die sind auch noch ziemlich anspruchsvoll. Um zu gefallen, ja attraktiv zu sein, wird gründlich hinterfragt, verändert und geschliffen, Altes über Bord geworfen, Neues formuliert und Wandel zelebriert.
Ähnliches erleben wir jeden Tag in unserer Arbeit – nur eher auf der anderen Seite: Denn im Ringen um die Talente beraten wir genau die, die Talente. Persönlichkeiten unterschiedlichster Ausrichtung und Lebenssituation, die neue Wege suchen. Menschen, die den Job finden wollen, der zu ihrer Persönlichkeit passt und zum eigenen Wertesystem. Der glücklich macht, Sinn stiftet, mit dem Alltag vereinbar ist, Raum für Entwicklung und Flexibilität bietet und dabei noch adäquat bezahlt wird.
Natürlich könnten wir unseren Kundinnen und Kunden erzählen, dass man da draußen nur auf sie wartet. Aber: Wir denken nun mal mit dem Herzen und fühlen mit dem Kopf. Bei uns gibt es Strategie und Empathie nur in Kombination. Dabei zerlegen wir unsere Gegenüber wie mit einem Kaleidoskop, erkennen und betrachten einzelne Facetten. Wir diskutieren, sortieren, organisieren und strukturieren. Wir hinterfragen Stärken, Leidenschaften, Überzeugungen und Erfahrungen. Wir verändern den Blickwinkel und sehen die Potenziale.
Und weil sich auf der anderen Seite so viel verschiebt und neu strukturiert, liegen manche Potenziale oft ganz woanders als zunächst vermutet. Das Wühlen, Hinterfragen und Entrümpeln ist derzeit ein noch größerer Kraftakt. Aber er lohnt sich auch in diesen Zeiten: Wenn da eine Mauer zu sein scheint, suchen wir nach den Fugen. Denn durch sie scheint das Licht hindurch. So öffnet sich ein Raum für Neues. Oder eine frische Perspektive. Plötzlich ist da dieses fehlende Puzzleteil, das Klarheit liefert. Plötzlich wecken wir jene unverstellte Offenheit, neue Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Spannende Optionen vertiefen wir gedanklich, machen sie vor allem greifbar – und auch den Weg dorthin. Vielleicht ist die ehemalige Erzieherin mit einer guten Weiterbildung genau die richtige für die Kinderarzt-Anmeldung? Vielleicht die ehemalige Moderedakteurin eine echte Bereicherung im Brillenladen. Und Sie? Wen bereichern Sie demnächst?
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