Essen lernen …

9 Jun, 2022 | Experten, News

Kaum ein Thema begleitet Eltern so lange und auch so oft wie das Essen. Essen die Kleinen genug? Essen sie gesund? Darf es auch mal etwas Süßes/Ungesundes sein? Dazu hat sich unsere Expertin, Dr. Esther Renoirte von der privatärztlichen Gemeinschaftspraxis für Kinder- und Jugendmedizin „Kinderärztinnen im Westend“, einige Gedanken gemacht.

Wir Eltern und andere Bezugspersonen haben die wertvolle und zugleich herausfordernde Aufgabe, für eine positive körperliche und seelische Entwicklung unserer Kinder Sorge zu tragen und stellen damit die Weichen für die langfristige Gesundheit.Die Prävention von Krankheiten liegt mir als Kinderärztin besonders am Herzen. Ich möchte Sie dabei unterstützen, von Anfang an, die richtigen Entscheidungen für die Gesundheit Ihres Kindes zu fällen. Damit ermöglichen Sie auch Ihrem Kind, in Zukunft gut für sich zu sorgen.

Ein Grundpfeiler der gesunden Entwicklung eines Kindes ist die ausgewogene Ernährung von Anfang an. Bereits in der Schwangerschaft wirkt sich eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mutter und Kind aus. Die Vorteile des Stillens für Mutter und Kinder sind inzwischen gut bekannt. Lassen Sie sich bereits vor der Geburt beraten und nehmen Sie Hilfe an. Wenn Stillen nicht möglich ist, füttern Sie Ihr Baby mit einer nach gesetzlichen Regelungen hergestellten Säuglingsnahrung.

In Deutschland gibt es einen Ernährungsplan für das erste Lebensjahr, angepasst an die Entwicklung und den Nährstoffbedarf des Säuglings. Im Rahmen der kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen werden Sie über die Beikosteinführung informiert und erhalten Informationsbroschüren.

In den ersten vier bis sechs Monaten wird eine ausschließliche Milchernährung empfohlen, ab dem fünften bis siebten Monat die Einführung der Beikost mit dem Übergang in die Familienkost gegen Ende des ersten Lebensjahres.

In unserer und auch in anderen Kulturen hat sich die Beikosteinführung mit einem Brei seit Jahrhunderten bewährt. Traditionell besteht die Beikost in Deutschland aus drei Mahlzeiten: einem Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei, einem Milch-Getreide-Brei und einem Getreide-Obst-Brei. Zusammen mit der Muttermilch/Säuglingsnahrung wird die für das Alter notwendige Nährstoffzufuhr erreicht.

Vielleicht haben Sie von der Methode des „baby-led weaning“ (BLW) gehört und empfinden diese im Vergleich zur Breikost als natürlicher. BWL ist die vom Baby geführte Entwöhnung von der Muttermilch oder Säuglingsnahrung über einen längeren Zeitraum. Dabei wird dem Kind dem Alter angepasst verschiedene Lebensmittel angeboten, und es kann selbst bestimmen, was es davon essen mag. Diese Methode erfordert von Ihnen eine gewisse Ernährungskompetenz. Informieren Sie sich gut, damit alle notwendigen Makro- und Mikronährstoffe bei Ihrem Kind ankommen.

Als Kinderärztin empfehle ich Ihnen einen Mittelweg zu wählen, so lernt das Baby früh im Leben unterschiedliche Geschmacksrichtungen kennen, ist gut mit allen Nährstoffen versorgt, und die Selbstregulation und die Freude am Essen werden gefördert.

Auch bei der vegetarischen oder veganen Ernährung ist Ihr Ernährungswissen gefragt. Die vegane Ernährung wird bislang von den deutschen Fachgesellschaften für Säuglinge nicht empfohlen. Sollte es dennoch erwünscht sein, so ist die dauerhafte Gabe von Vitamin B12 und gegebenenfalls Eisen und Jod wichtig für die Gesundheit des Säuglings. Lassen Sie sich von einer spezialisierten Ernährungsfachkraft beraten, und sprechen Sie es bei Ihrer Kinderärztin an.

Aber natürlich geht es bei der Ernährung nicht nur um das Was, sondern auch um das Wie.

Eine angenehme und ruhige Atmosphäre bei den Mahlzeiten hilft gesunde Ernährungsgewohnheiten zu etablieren. Vermeiden Sie Ablenkungen, und schenken Sie Ihrem Kind die volle Aufmerksamkeit, achten Sie auf die Signale Ihres Kindes und nehmen Sie diese ernst. Ist es noch hungrig oder schon satt? Drängen Sie Ihr Kind nicht zum Essen. Ein gesundes Kind wird die Menge zu sich nehmen, die es braucht. Das hat die Natur so eingerichtet.

Ihr Kind wird im Verlauf Interesse zeigen, selbstständig zu essen und initiiert den Übergang in die Familienkost. Unterstützen Sie es dabei, sich selbst zu füttern und fördern Sie damit automatisch die Selbstregulation.  Für die gesunde Zukunft der nächsten Generation braucht es jedoch mehr als motivierte Eltern. Wie können wir den steigenden Zahlen an Übergewicht und Adipositas im Kindesalter entgegentreten und damit Folgeerkrankungen vermeiden? Die Bewältigung dieser Aufgabe liegt nicht nur bei den Eltern, sondern auch bei der Politik.

 

Ihre Dr. med. Esther Renoirte
Kinderärztinnen im Westend

 

 

 

 

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